Pilsen zu besuchen war eine recht spontane Entscheidung; in Wien saßen wir über unserer Europakarte und suchten Orte, die gut in unsere Heimreiseroute passen. Pilsen lag gut und war mit dem Zug von Wien aus einigermaßen akzeptabel zu erreichen. Jetzt hatten wir wieder ein ähnliches Problem: Wohin soll’s gehen? Es wurde Marianske Lazne (zu deutsch: Marienbad) und zwar aus dem einfachen Grund, dass wir da leicht eine bezahlbare Unterkunft fanden.
Die Pension Edinburgh war jedoch nur als „Edinburgh“ gelistet, was dazu führte, dass ich das erste Mal in meinem Leben eine Stadt kaufte: PayPal (so leistete ich die Anzahlung für die Reservierung) fragte mich, ob ich den Artikel „Edinburgh“ wirklich kaufen möchte. Ich glaube zwar, dass 3,20€ für die schottische Hauptstadt ein bisschen wenig ist, aber ich will mich nicht beschweren.
Als wir aufgestanden waren und gefrühstückt hatten, checkten wir aus und liefen zum Bahnhof. Der etwa 20-minütige Spaziergang entlang der kahlen Hauptstraße war unspektakulär: Bei etwa 16°C muss man sich auch keine Sorgen machen verschwitzt anzukommen. Der Zug kam pünktlich, wir stiegen ein und nach einer knappen Stunde waren wir schon da.
Der kleine Bahnhof war frisch renoviert, auf Hochglanz poliert und hatte automatische Türen. Man merkte sofort, dass man in einem Kurort ist: Der Altersschnitt war deutlich höher als in jedem anderen Ort unserer Reise.
Nach Edinburgh liefen wir gut zwanzig Minuten und bestaunten den Ort, der scheinbar häufig von Deutschen heimgesucht wird: alles war mehrsprachig (nämlich Tschechisch-Deutsch, selten auch Englisch) ausgeschildert. Pension Edinburgh (direkt neben Pension Milano) war ein hübsch restauriertes Haus mit Pub im Keller. Wir klingelten bei „Pension“ – nichts passierte. „Pension Manager“ – eine Stimme sagte irgendetwas durch die Wechselsprechanlage. Ich versuchte es mal auf deutsch, aber ich wurde nicht verstanden. Englisch funktionierte und kurz darauf ging die Tür auf und eine Frau stand vor uns. Kein Hallo, sondern „You have a reservation? Which name?“ – „Berschick“ – „OK“ sagte sie mit Blick in ihr schlaues Buch: „but now not possible. Room not ehhh ready. Later. Checkin is at … Eleven, twelve … One!“
Unsere Rucksäcke durften wir trotzdem in der Unterkunft lassen und gingen wieder in den Ort zurück.
Vorbei an Schwimmbad und Eisstadion waren wir bald am Waldrand. Ein großes Schild wies auf den Metternichpfad hin: Ein Wanderweg durch den Wald, vorbei an zwei Heilquellen, zurück nach Marienbad. Ideal für uns.
An der ersten Quelle, der Bärenquelle, sahen wir einen Mann in voller Wandermontur, der sich gerade einen Flachmann an der Quelle füllte, dann einen großen Schluck nahm und weiterlief. Auch wir sahen uns die Quelle an: Das Wasser war glasklar, brodelte aber verdächtig und der gesamte Bachlauf war rostrot – offenbar sehr eisenhaltig die Brühe. Todesmutig schöpfte ich ein Schlückchen und spuckte es prompt wieder aus: Es war als würde man an einem rostigen Nagel lutschen. Lisa tauchte nur einen Finger ein, leckte diesen ab, spuckte wieder aus und kam zum selben Fazit wie ich: Wer das freiwillig trinkt, muss an akutem Eisenmangel leiden. Unser Bedarf an Eisen sollte jetzt für die nächste Zeit gedeckt sein. Die Balchinquelle war im Geschmack übrigens etwas milder, aber immernoch widerlich. Ich glaube, ich die Faszination Heilquelle erschließt sich mir nicht so bald.
Kurz vor eins war die Pension wieder in Sichtweite und der Regen hatte begonnen. Zum Glück hatten wir unsere Regenjacken an und so war das halb so wild. Im Garten machte ein Mann mit kurzen, angegrauten Haare gerade Ordnung, als wir ankamen. Er begrüßte uns, fragte, ob wir die Leute wären, deren Gepäck schon da ist und als unser Klingeln an der Rezeption erfolglos war, öffnete er uns. Im Treppenhaus gab er uns unsere Rucksäcke zurück und führte uns in den zweiten Stock, wo Zimmer Fünf auf uns wartete. Die Toilette war auf halber Treppe und das Badezimmer* befand sich in einem Zimmer schräg gegenüber. Wir beschlossen uns kurz auszuruhen.
2 Stunden später wachten wir auf. Der Hunger hatte uns geweckt und wir liefen im Regen mit gepackten Badesachen Richtung Schwimmbad. Auf dem Weg kehrten wir bei einem „Italiener“ ein: Lisa bestellte Farfalle alla Bolognese und ich Penne all‘ arabiata. Über den Geschmack konnten wir nicht klagen, aber ich hatte ein wenig zu viele Oliven (standen die wirklich in der Beschreibung?!) und wer mich und meine spezielle Vorliebe für Oliven kennt, der wird mich dafür belobigen, dass ich etwa die Hälfte davon gegessen habe.
Auf ins Schwimmbad. Zwei Stunden, zwei Personen mit Studentenermäßigung, 190 Kronen. Und hier gingen die Probleme los: Männer und Frauen haben strikt getrennte Umkleiden und um die Schränke zu nutzen braucht man ein 10Kronen Stück. Wir hatten aber nur eins davon. Also zogen wir uns um und trafen uns auf dem Gang wieder: Lisa gab mir ihre Sachen und ich schloss diese bei mir mit ein.
Das Baden selbst war sehr schön: Wir hatten viel Platz zum Schwimmen und konnten auch hin und wieder im Whirlpool entspannen. Dann wurde es interessant: Als ich gerade mit duschen fertig war und in die Kabinen gehen wollte, wurde ich plötzlich von hinten angesprochen. Der Bademeister gestikulierte wild und brabbelte auf tschechisch. Ich sah ihn fragend an und sagte, dass ich kein Wort verstehe. Er deutete auf meine FlipFlops und wollte scheinbar einen haben. Ich gab ihm meinen rechten FlipFlop, er fuhr mit der Handfläche drüber, machte die Dusche an und meinte wohl ich solle sie abspülen. Meinetwegen, dachte ich mir – hatte ich zwar schon gemacht, als wir ins Bad kamen, aber wenn er meint. Mit spätestens jetzt blitzeblanken FlipFlops nahm ich Kurs auf die Kabinen und wurde erneut zurückgehalten. Er deutete auf meine nassen Fußabdrücke: „Schmutzig. Schmutzig! ehhh Tasche!“ – Resigniert nahm ich meine WIRKLICH sauberen FlipFlops und ging in die Umkleide. Mit Lisa machte ich „Klamottenübergabe“ – ihre Sachen waren schließlich in meinem Spinnt – und zog mich um.
In der Zwischenzeit lernte auch Lisa das Personal näher kennen. Sie kam mit FlipFlops (und einer anderen Frau, die ebenfalls welche trug) aus der Dusche und wurde von einer Mitarbeiterin des Schwimmbades auf tschechisch zugetextet, obwohl sie zu verstehen gab, dass sie kein Wort verstand. Als ihr dann der Vogel gezeigt wurde, platzte Lisa der Kragen. Sie antwortete auf deutsch und erklärte der Dame unteranderem, dass sie keine Lust hätte sich: „hier einen scheiß Fußpilz zu holen.“ Die Schwimmbadmitarbeiterin schüttelte den Kopf und wir können nur annehmen, dass sie reichlich wenig verstanden hat. Was sie mittlerweile aber wohl verstanden hat, ist, dass es ausgesprochen ineffektiv ist Menschen auf tschechisch zu beschimpfen, die dieser Sprache nicht mächtig sind**. Wir jedenfalls beschlossen das Bad in Zukunft zu meiden – wahrscheinlich hängen unsere Steckbriefe jetzt am Eingang aus.
Unsere restlichen Kronen investierten wir, nach einer kurzen Pause in der Pension, in einem Restaurant, wo wir bei Bier, heißer Schokolade, Eis und Apfelstrudel den Regen beobachteten.
*Lisa würde es aufgrund seiner Größe und Einrichtung später als „Wohnzimmer mit Duschkabine“ bezeichnen
**Und außerdem ist es auch gefährlich sich mit Lisa anzulegen