Ein weiches Bett, unendliche Ruhe. In unserem Mittelklassewagen schliefen wir so gut wie lange nicht mehr. Gegen 9 erwachten wir fast von alleine, auf den Wecker konnten wir verzichten, wir fühlten uns ausgeschlafen. Im Bad erledigten wir vorerst nur das Nötigste, denn das Frühstück wartete auf uns.
Im Speiseraum standen mehrere Tische, die allesamt besetzt waren – hauptsächlich von Deutschen. Eine Gruppe langhaariger Mittfünfziger diskutierte angeregt über Autos und Technik. Eine ältere Dame, die anscheinend verantwortlich für das Frühstück war, machte uns erfreulicherweise auf deutsch den Vorschlag, im Nebenzimmer – dem Restaurant des Hotels – einen der leeren Tisch zu nutzen. Wir stellten uns eine reichhaltige Mahlzeit zusammen: Brötchen, Käse, verschiedene Wurstsorten, Gurke, Tomate, weiteres Gemüse, sowie diverse Sorten Cornflakes und Müsli.
Außerdem entschieden wir uns dafür, einen Tee zu trinken. Die Frühstücksfrau zeigte auf Thermoskannen und erklärte uns, in welcher Wasser und in welcher Kaffee ist. Wir entschieden uns dagegen, Kaffee über den Teebeutel zu schütten und nahmen eine der Wasserkannen. Als wir dann am Tisch sitzend in unsere Tasse pusteten, um den Tee zu kühlen, merkten wir, dass das Wasser eiskalt war. Wahrscheinlich war die Thermoskanne kaputt und es trank niemand außer uns Tee, sodass es hätte bemerkt werden können. Also genossen wir unseren Eistee zum Frühstück.
Gut gestärkt gingen wir anschließend wieder ins Zimmer zurück, duschten und räumten etwas auf, um den nahenden Zimmerservice nicht allzu sehr zu schocken. Am wichtigsten war es, die Wäscheleine aus dem Vorraum zu entfernen – wir haben am Vortag noch ein paar Kleinigkeiten gewaschen, um nicht stinkend in der Heimat anzukommen.
Im Internet lasen wir nach, wann die deutschen Führungen in der Pilsener Brauerei stattfinden. Um rechtzeitig da zu sein, liefen wir eine Stunde vorher los – sprich um 12. Ohne Probleme fanden wir die Brauerei und betraten einen Vorplatz, auf dem große und kleinere Gebäude standen. Auf einem der Häuser stand „Visitor Center“, wir gingen hinein und nach einigem Suchen fanden wir den Schalter, der Eintrittskarten verkauft. Eine nette junge Frau drückte uns 2 ermäßigte Tickets in die Hand und sagte uns, dass die nächste deutsche Führung um 13 Uhr beginnen würde. Da bis dahin noch eine halbe Stunde Zeit war, nutzten wir die Zeit, um uns ein wenig umzuschauen. Wir schlenderten durch eine geschichtliche Ausstellung, guckten Bilder an und lasen die dazugehörigen Texte. Schließlich ging es auf um 1 zu. Ein junger Mann kam – und kümmerte sich um eine englische Gruppe. Eine junge Frau kam – und kümmerte sich um die Tschechen. Wir trauerten jeder für sich, wie immer waren die Hübschen alle vergeben. Gerechtigkeitshalber betrat eine ältere Frau den Raum: „Die deutsche Gruppe folgt mir bitte“ sagte sie in befehlendem Ton. Sie erklärte uns kurz die Tour, was wir alles zu sehen bekommen werden und wie die Fabrik entstanden ist. In regelmäßigen Abständen maßregelte sie die am Rand stehenden Leute, sie mögen den Gang freihalten, denn es müssen immer Menschen rein und raus und das könne sie nicht ändern. Unsere Gruppe, bestehend aus etwa 25 Personen aller Altersgruppen, machte sich nun unter der Führung von Gerta auf den Weg zu einem kleinen Bus. Als alle drin waren, und die Hälfte schon stehen musste, fiel den Organisatoren ein, dass man ja die tschechische Gruppe gleich mit in den selben Bus stecken könnte. Kuschelnd standen nun alle im Gefährt, das sicher nur für die Hälfte ausgelegt war. Nach einer kurzen Fahrt durften alle wieder aussteigen, wir betraten die Abfüllfabrik.
Hier werden normalerweise literweise Bier in Dosen, 0,3er und 0,5er Flaschen oder größere Plastikflaschen abgefüllt, doch wir hatten Pech. Gerade wurde die komplette Maschinerie gesäubert und auf Hochglanz poliert, sodass wir außer den leeren Bändern nicht viel sahen. Gerta schickte uns wieder nach draußen – zurück zum Bus. Diesmal als einzigste Gruppe (und wir sogar mit Sitzplatz) ging es weiter zum Brau- und Lagerhaus. Eine Gruppe Jugendlicher hatte sich bei unserer Führerin bereits so beliebt gemacht, dass sie ihre „Kindergartengruppe“ nicht mehr aus den Augen ließ.
In einem kleinen, runden Kino wurde ein Film eingelegt, der uns noch einmal die Geschichte des Pilsner Urquells näherbrachte. Das besondere war: das Kino drehte sich. Bessergesagt drehte sich die Plattform, auf der die Gäste standen. Als der Film vorüber war, öffnete sich eine Wand. Dahinter war der Eingang ins Museum. Wir kosteten Gerste, Malz und Hopfen kosten (das einzigste erträglich schmeckende war Malz) und Gerta erklärte uns das Verfahren zur Bierbrauerei. Nachdem wir einige Räume durchquert hatten, kamen wir in den Lagerkeller. Dieser wird an sich nicht mehr genutzt, nur für die Besucher wird dort unten Bier gelagert. Es war kalt und wir waren froh, unsere Jacken mitgenommen zu haben. Im äußersten Kellerraum erwartete uns ein Mann mit Bechern und einem Riesenfass ungefilteren Biers. Alle durften einen frisch gezapften Becher trinken, die Jugendlichen waren außer Rand und Band vor Freude und Gerta dementsprechend genervt. Sie fragte die Gruppe, ob wir noch in die sogenannte Eiskammer gehen wollen oder ob es uns so schon zu kalt ist. Einstimmig entschieden wir, uns die Kammer noch anzusehen. Gerta reagierte anders als gedacht: „Gut, dann lassen sie mich wenigstens noch ein, zwei Sachen dazu sagen“. Sie erzählte und schwupps … war die Führung vorbei. Sie zeigte uns noch den Ausgang, bekam höflichen Applaus und alle verschwanden in verschiedene Richtungen.
Paul und ich waren zwar enttäuscht, dass wir die Abfüllanlage nicht in Aktion erleben konnten, stimmten dennoch überein, dass die Führung ansonsten ganz interessant war. Die Omi Gerta ist sicher eine ganz Liebe und war nur ein bisschen überfordert mit den ganzen „Kleinkindern“, wie sie die Jungs zu bezeichnen pflegte.
Wir steuerten auf den Souveniershop zu und verbrachten tatsächlich eine ganze Weile darin. Da wir am Ende mehr als 350 Kronen zahlten, bekamen wir ein Bier dazu geschenkt, welches wir auf einer Bank in der Sonne leerten. Wir beobachteten ein junges Brautpaar, die ihren Bund der Ehe in der Brauerei mit einem Glas Bier in der Hand schlossen.
Auf dem Weg zurück in die Stadt kamen uns auffallend viele Polizisten entgegen – und viele Berliner. Später kombinierten wir alle Hinweise und schlussfolgerten, dass wohl ein Eishockeyspiel Berlin gegen Plzen stattfinden musste. Trotzdem erschien es uns ein viel zu großer Aufwand, sogar Hubschrauber über der Stadt Kreise drehen zu lassen (vielleicht waren es aber auch von Interpol beauftragte Polizisten, die nach 2 Deutschen suchen, die in Österreich in 3 verschiedenen Banken extrem zerrissene Geldscheine tauschen wollten). Keiner hielt uns auf, an einem Kiosk ein Stück Pizza zu kaufen. Wir platzierten uns auf dem Marktplatz an einem Brunnen, beobachteten einen Obdachlosen, der seinen Hund mit Wasser bespritzte und betrachteten die Kirche vor uns. Auf dem Turm waren Köpfe zu
erkennen, gleich nachdem wir aufgegessen hatten, trainierten wir alles wieder ab und stapften die gut 250 Stufen nach oben.
Der Blick war herrlich, wir sind nach wie vor überrascht, was Plzen doch für eine schöne Stadt ist. Wieder unten, spazierten wir noch ein bisschen durch die kleinen Gassen, entdeckten eine Synagoge, die leider geschlossen war und kauften in einem kleinen Laden Wasser und Gummibärchen für den nächsten Tag, sowie ein Getränk namens Kofola, dass wir im Laufe des Urlaubs jetzt schon mehrfach gesehen haben und nie wussten, was es ist (wir wissen es immer noch nicht so richtig – es schmeckt ein bisschen nach einer Mischung aus Cola und Sprite). Im Hotel bezahlten wir unser Zimmer und machten kurz Pause. Ich las mein Buch mit Wallander zu Ende und Paul schrieb etwas für die Gefahrenstelle, bevor wir ins Restaurant des Hotels gingen. Am Vortag haben wir von dem Mann an der Rezeption eine Rabattkarte von 10% für das Essen bekommen. So kam es, dass wir für 2 Getränke, ein Schweinesteak mit Rahm-Pilz-Soße und Hähnchen vom Grill mit Salat und je einer Riesenportion Kroketten umgerechnet 12 Euro zahlten. Zufrieden beschlossen wir, noch einmal in die Stadt zu gehen, wir fanden ein nettes Lokal und tranken Bier. Glücklich beendeten wir unseren vorletzten Urlaubstag und schliefen im weichen Bett in unendlicher Ruhe ein.