Der Wecker ließ uns den Donnerstag eher beginnen, als wir wollten. Die Botschaft öffnete um 9 und wir wollten das ganze so schnell wie möglich hinter uns bringen. Los ging es also zur nächsten Metrostation, das Ticket wurde gekauft und wir setzten uns in den diesmal halbleeren Bus (welch Ironie des Schicksals – schon hat man kein Gepäck mehr, denkt gar keiner daran uns im Bus zu bedrängen). Wir kamen am Hauptbahnhof an und beschlossen, vorerst im Fundbüro nachzufragen, ob eine Geldbörse abgegeben wurde – aber irgendwie konnte uns hier keiner weiterhelfen. Wir erkundigten uns am Ticketschalter, man teilte uns mit, dass es im Bahnhof kein „Lost And Found“ gebe, wir uns aber im Fundbüro der Stadt erkundigen könnten. Die Frau gab uns die Adresse und die Telefonnummer – wir entschieden uns, es telefonisch zu probieren. Am anderen Ende meldete sich ein Mann. Wir erklärten ihm das Problem, doch er meinte, in den letzten Tagen sei kein Portemonnaie abgegeben worden, aber wir sollen es doch in ein paar Tagen noch einmal versuchen: „Das dauert immer ein ganzes Stück“. Wir hatten nicht wirklich Hoffnung hinein gesetzt, aber etwas enttäuscht waren wir trotzdem.
Nächste Station: Fotoautomat. Ich lächelte einmal ganz nett, ließ die Maschine meine 5€ fressen und drückte auf „Drucken“. Heraus kamen große und kleine (wirklich nicht schöne) Bilder. Ein Blick auf die Stadtkarte verriet uns nun, wie wir am besten zur Deutschen Botschaft kommen würden. Diese war auch schnell gefunden. Eine Polizistin, die zur Wache vor der Tür stand, teilte uns jedoch mit, dass nur eine Person die Botschaft betreten dürfe. Das bedeutete für Paul erst einmal Erholung von mir. Er setzte sich (wie ihr bereits wisst) in ein Cafe und trank gemütlich einen Cappuccino, während ich mich mit den Behörden rumärgern musste.
Ich betrat den Warteraum, zog eine Nummer und setzte mich. Außer mir waren noch 4 weitere Kunden da – ein Mädchen (anscheinend auch Interrailerin) kam mir von Anfang an bekannt vor, ich würde wetten, wir haben sie und ihre Freundinnen in Split gesehen. Nach einer Weile blinkte auf dem Bildschirm die Nummer 84 auf – mein Zeichen. Ich ging zum Schalter und erklärte dem jungen Mann dahinter die Sache mit meinem Ausweis und das ich dringend einen Ersatz für den Flug bräuchte. Er verstand sofort. Nachdem er den Polizeibericht überflogen hatte, sah er mich besorgt an: „Du bist also noch minderjährig? Ich brauche ein Einverständnis deiner Eltern, um dir einen vorläufigen Ausweis ausstellen zu dürfen.“ – na ganz große Klasse. Ich füllte zunächst einen Antrag aus (2 Seiten, auf denen exakt das gleiche stand) und gab dem Botschaftler den ganzen Zettelkram, den er haben wollte. Währenddessen telefonierte er nach Crimmitschau, um meine Identität zu überprüfen. Ein Wunder – der Computer in Crimmitschau kannte mich und es wurde eine Kopie meines Ausweises per Email verschickt. Jetzt bestand nur noch das Problem mit dem Einverständnis der Eltern. Nachdem eine Frau am Schalter 2 nach einer gefühlten Stunde ihren Auftritt (und man kann wirklich sagen AUFTRITT) beendet hatte, trat ich ans Telefon und beanspruchte mein Gedächtnis sehr. Die Handynummer meiner Mutti war die Einzigste, die ich halbwegs auf die Reihe bekam (zuhause war ja aus Arbeitsgründen keiner zu erreichen). Also rief ich Mutti an und konfrontierte sie damit. Nach einer Weile war die Email-Adresse von D. (der junge Mann am Schalter) durchgegeben und ich musste mich jetzt vollkommen auf die Fähigkeiten meiner Eltern verlassen. Ich setzte mich also wieder hin und beobachtete das weitere Geschehen. Kurze Zeit später winkte mich D. zu sich hin. „Ich glaub dir jetzt einfach, dass die Email gleich noch kommt. Wenn das unter uns bleibt, mach ich dir das Zeug fertig und dann kannst du gehen!“ sagte er und zwinkerte mir zu – ein Netter, oder? Früher als gedacht war ich also wieder draußen und konnte Paul Gesellschaft leisten. Ich bestellte ebenfalls einen Cappuccino und wir saßen noch eine Weile. Als wir genug geglotzt hatten, zahlten wir und liefen Richtung Bahnhof zurück. Dort schlenderten wir durch einige Läden (auf der Suche nach einem neuen Portemonnaie), doch als wir nicht fündig wurden, machten wir uns wieder auf den Heimweg. Durch viele viele … viele Parks und Straßen fanden wir den Weg so ungefähr, machten hier und da noch einen Umweg, schauten uns auf verschiedenen kleinen Märkten um, kauften ein paar Weintrauben und gingen dann zurück in die Unterkunft, um eine Pause einzulegen. Die Hitze machte einen fertig – das war schlimmer, als der lange Fußmarsch.
Am Abend wollten wir den Urlaub noch angemessen ausklingen lassen und setzten uns in ein Lokal gleich um die Ecke. Nach dem Antipasti – Bruschetta – kam der Hauptgang (für Paul zwei Hauptgänge). Er bestellte erst Spaghetti mit einer leckeren Pesto-Soße und anschließend noch einen Hühnchenteller (oder so etwas in der Art). Ich gab mich mit einer großen Portion Spaghetti mit Tomatensoße zufrieden. Zum Schluss entwickelten wir Appetit auf etwas Frisches und orderten ein Gericht namens „Früchte der Saison“. Was wir bekamen, war eher eine Frucht der Saison. Ein großes Stück Melone mittig auf dem Teller platziert – nicht das, was wir uns vorgestellt haben, aber trotzdem lecker. Voll bis zum Rand zahlten wir und mussten unbedingt noch eine Verdaurunde laufen, sonst wären wir auf der Stelle geplatzt. Wir schlenderten am Tiber-Ufer entlang und betrachteten Jugendliche, die sich bereit für die nächtlichen Partys machten. Erschöpft kamen wir wieder in der Via La Goletta an – später als vorher geplant. Und so begann die letzte Nacht im Urlaub…